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Kommentar: Ein verstopfter Diskurs – Brandenburg, Deutschland und der Umgang mit Populismus
- Updated: 3. Januar 2025
Michael Huppertz kommentiert den „Musk“-Artikel:
Fehlender Tiefgang und verpasste Chancen im Umgang mit Populismus.
Deutschland hat ein Problem. Nein, nicht nur mit rechtem Populismus – sondern mit der Art und Weise, wie es damit umgeht. Seit Jahren wird versucht, mit warmen Worten, Appellen an die Vernunft und mehr oder minder gut gemeinten Aufklärungsversuchen eine politische Strömung einzudämmen, die immer mehr Wählerstimmen gewinnt. Doch diese Taktik gleicht dem Versuch, einen verstopften Wannenablauf mit bloßem Zureden zu reinigen: Es passiert nichts. Der Dreck bleibt, und das Wasser wird immer dreckiger.
Ein prominentes Beispiel für diesen dysfunktionalen Umgang ist die Diskussion rund um Elon Musks Gastbeitrag in der WELT. Musk, der die AfD in seinem Artikel als „letzten Funken Hoffnung“ für Deutschland bezeichnete, wurde – zu Recht – heftig kritisiert. Doch anstatt sich ernsthaft mit den zugrunde liegenden Thesen auseinanderzusetzen, konzentrierten sich die meisten Kommentare einzig und allein auf die Frage, ob Musk überhaupt eine Plattform hätte bekommen dürfen.
Populismus und die Verstopfung des öffentlichen Diskurses
Die lautstarke Empörung über den Artikel übertönte fast vollständig die faktenbasierte Analyse, die ein Redakteur der WELT direkt neben Musks Beitrag veröffentlicht hatte. Dieser hatte eine klare Gegenposition eingenommen und Musks Behauptung, die AfD sei der „letzte Funken Hoffnung“ für Deutschland, mit stichhaltigen Argumenten widerlegt. Ein zentrales Beispiel seiner Kritik war der Hinweis auf die Forderung der AfD nach einem EU-Austritt Deutschlands, die er als wirtschaftlich und geopolitisch gefährlich darstellte. Doch anstatt diese fundierte Auseinandersetzung zu würdigen oder weiterzuführen, richtete sich der öffentliche Diskurs fast ausschließlich auf Musks provokative Aussagen selbst. Damit wurde eine Chance verpasst, Populismus mit sachlichen Argumenten entgegenzutreten und gleichzeitig die Funktion von Journalismus als Plattform für ernsthafte Debatten zu stärken. Ironischerweise beweist genau das, wie wenig Deutschland gelernt hat, Populismus wirksam zu begegnen.
Warum moralische Empörung nicht ausreicht
Es reicht eben nicht, den „großen Chemie-Keule-Angriff“ zu fahren – in diesem Fall die moralische Entrüstung, die von Presseräten, sozialen Netzwerken und politischen Kommentatoren gleichermaßen kommt. Der Populismus lebt davon, dass seine Gegner emotional überreagieren, während er selbst „einfach nur die (halbe) Wahrheit ausspricht“ – oder zumindest so tut. Wer hingegen mit den metaphorischen Hausmitteln wie Ironie, Witz und sachlichen Argumenten arbeitet, zeigt, dass sich die Behauptungen eines Populisten auch ohne rhetorische Schlammschlachten entlarven lassen.
Sachlichkeit statt Schweigen: Der Schlüssel zur Lösung
Dass es geht, zeigen Ausnahmen wie Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) oder Robin Mesarosch (SPD). Doch solche Beispiele sind noch viel zu wenige. Jetzt wäre es an der Zeit, dass sich alle politischen Verantwortlichen, auch ehrenamtliche, aktiv einbringen und offene Diskurse führen – selbst mit Trollen oder Bots. Denn genau darin liegt der Schlüssel: diese digitalen Störfaktoren zu entlarven, ihre Algorithmen zu stören und den menschlichen Verstand dafür zu sensibilisieren, dass Ideologien noch nie nachhaltige Lösungen gebracht haben.
Die Rolle der Politik: Analyse statt Emotionalisierung
Auch das Bundespräsidialamt unter Frank-Walter Steinmeier hätte an dieser Stelle Führungsstärke zeigen müssen. Ein weiterer direkter Angriff von Elon Musk auf die politische Stabilität Deutschlands und deren Souverän hätte eine staatsmännische, kluge Antwort verdient – ausgefeilt von Strategen, die schließlich nicht schlecht dafür bezahlt werden. Doch stattdessen: Schweigen. Ein Schweigen, das weder beruhigt noch Klarheit schafft, sondern das Vakuum füllt, in dem Populismus und Polarisierung gedeihen. Schweigen war noch nie eine Lösung; es hat in der Geschichte stets ins Chaos geführt. Ein kluger Kommentar aus dem höchsten Staatsamt hätte nicht nur Musk in die Schranken weisen können, sondern auch gezeigt, dass Deutschland in der Lage ist, auf Angriffe mit Argumenten und Würde zu reagieren. Solche Gelegenheiten ungenutzt verstreichen zu lassen, ist ein Versäumnis, das dem Ansehen der Demokratie schadet und Populisten zusätzlich in ihrer Rhetorik bestärkt.
Verantwortungsträger in der Pflicht: Von Schweigen zu Handeln
Wenn politische Bundes- und Landesverbände Pressemitteilungen senden, sollten diese nicht darin bestehen, über andere Parteien herzuziehen. Stattdessen braucht es konkrete Lösungsvorschläge, die den Wählern Perspektiven und Wege aus der Krise aufzeigen. Und spätestens die Abgeordneten auf Landes- und Bundesebene sollten erkennen, dass mit Veröffentlichungen über „Kinderspielzeugeisenbahnen“, „Plätzchenbacken“ oder „Freizeitberichten über die eigene Wohlfühlzone“ keine demokratische Politik versus Populismus betrieben wird. Das ist keine Vernunft, sondern Ablenkung von den eigentlichen Aufgaben.
Wie offener Diskurs Vertrauen zurückgewinnen kann
Abgeordnete, egal ob auf Landes- oder Bundesebene, sind gewählt, bezahlt und verpflichtet, sich für die Gesellschaft einzusetzen – nicht für sich selbst. Sie sollten den Blick darauf richten, wofür sie Verantwortung tragen: der Gesellschaft zu dienen, Schaden von ihr abzuwenden und Lösungen zu entwickeln, die das Vertrauen der Menschen in die Demokratie wiederherstellen. Durch glaubwürdiges Handeln als Vorbilder zu agieren, schafft nicht nur Vertrauen, sondern auch eine engagierte Gefolgschaft.
Von der Reflexion zur Lösung: Ein Weg nach vorne
Der verstopfte Abfluss, um bei der Metapher zu bleiben, wird durch Schönreden alleine nicht frei. Chemie mag kurzfristig helfen,aber die Nebenwirkungen bleiben – und der eigentliche Dreck wird nur tiefer in die Rohre gedrückt, bis er irgendwann ungefiltert und noch unangenehmer wieder ans Tageslicht quillt. Es ist Zeit, sich die Gummihandschuhe überzustreifen und mit etwas Essig, Backpulver und klarem Wasser an die Arbeit zu gehen. Deutschland braucht eine Diskussionskultur, die Verstopfungen nicht mit heißer Luft begegnet, sondern mit Tiefgang und Substanz also Sachlichkeit, Witz und Ironie. Nur so kann der Diskurs wieder frei fließen – und das Wasser der gesellschaftlichen Vergiftung ablaufen.
Michael Huppertz, www.meinbrandenburg.tv
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