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Leipzigs Urteil – Demokratie schützt sogar die, die sie abschaffen wollen | Kommentar von Michael Huppertz

Da jubeln sie: Compact, Martin Sellner, das gesamte rechtsextreme Umfeld. Sie feiern das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das das Verbot des Magazins aufgehoben hat – als wäre es ein Freispruch. Doch Sieger wovon eigentlich? Vom Sieg über eine Demokratie, die stark genug ist, selbst ihre Verächter zu ertragen?

Denn genau darum geht es: Die Richter in Leipzig haben nicht bestritten, dass Compact über Jahre hinweg als verfassungsfeindlich eingestuft wurde – wegen rassistischer Inhalte, Verschwörungsnarrativen, islamfeindlicher Hetze und offener Demokratieverachtung. Namen wie Sellner, Begrifflichkeiten wie „Remigration“ oder die systematische Abwertung liberaler Grundwerte ziehen sich wie ein roter Faden durch das Dossier. 

Auch ein solches Magazin fällt unter den Schutz der Pressefreiheit – solange es nicht dauerhaft aktiv zum Kampf gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung aufruft. Diese Schwelle, so das Gericht, sei noch nicht überschritten. Der Verfassungsschutz hält dennoch am Status „gesichert rechtsextrem“ fest – und das wird vom Gericht ausdrücklich bestätigt.

Ein Triumph? Nein. Ein Lehrstück.

Man stelle sich nur vor, was geschehen würde, wenn die Rollen getauscht wären. Wenn jene, die heute laut „Pressefreiheit!“,„Lügenpresse“ und Staatsmedien rufen, selbst regierten. Dann wäre Schluss mit Vielfalt. Schluss mit Kritik. Öffentlich-rechtliche Medien würden als „Staatsfunk“ zerschlagen, NGOs als „linke Unterwanderung“ verunglimpft und abgeschafft, unabhängiger Journalismus eingeschüchtert. In Wahrheit träumen diese Kreise von einer autoritären Medienordnung – mit einem einzigen Sender, einer einzigen Wahrheit, einer einzigen Partei.

Das Leipziger Urteil schützt deshalb nicht Compact. Es schützt die Demokratie. Es schützt die Grundidee, dass Meinungen – selbst extreme – ausgesprochen werden dürfen, solange sie nicht zur systematischen Zerstörung des Rechtsstaats führen. Das ist keine Schwäche. Es ist Größe.

Compact bleibt – doch die AfD wackelt

Gleichzeitig ist das Urteil eine Warnung. Die Richter benennen klar: Wird die Schwelle zur aktiv-kämpferischen Feindschaft gegenüber der Verfassung überschritten, kann ein Verbot erfolgen. Es war ein Verfahren zur Pressefreiheit – nicht zur Harmlosigkeit des Magazins. Und genau darin liegt die Stärke des Rechtsstaats: Nicht vorschnell zu verbieten, sondern genau hinzusehen. Der Maßstab bleibt: Freiheit ja, aber nicht um den Preis ihrer Abschaffung.

Was nun bleibt, ist die politische Verantwortung – auch mit Blick auf die AfD. Denn viele Positionen, die in Compact als publizistische Provokation gelten, finden sich deckungsgleich in Parteiprogrammen oder öffentlichen Reden führender AfD-Politiker. Wer also jetzt feiert, sollte sich bewusst sein, dass in einem System nach deren Vorstellungen genau jene Freiheiten verschwinden würden, die sie heute in Anspruch nehmen. Von daher hat es nichts mit dem geplanten AFD Verbot zu tun

Im Blindflug ins Autoritäre – Hauptsache gegen „die da oben“

An alle, die mitlaufen, ohne zu wissen, was sie da eigentlich unterstützen: Wer aus Frust wählt, ohne zu verstehen, riskiert, in einem anderen System aufzuwachen – nicht geografisch, sondern politisch. Dann zählt nicht mehr die Mehrheit, sondern die Gefolgschaft. Nicht mehr das Recht, sondern das Regime. Und dann ist das eigene Schweigen keine Haltung mehr, sondern Mittäterschaft.

Denn eines ist klar: Die breite Masse – die sogenannten „kleinen Leute“, auf die sich diese Bewegungen so gerne berufen – steht nicht im Fokus. Gefördert wird ein Denken von oben: elitär, autoritär, ausgrenzend – und im Kern steuerfreundlich für Vielverdiener. Die unteren Einkommensgruppen zahlen drauf. Genau das ist das eigentlich Gefährliche. Man muss der AfD eines lassen: Ihre Strategen beherrschen die Kunst der Polemik ebenso wie die der verklausulierten Sprache – sie formulieren in Andeutungen und juristischen Floskeln, gerade so, dass es rechtlich durchgeht, aber kaum jemand versteht, was da wirklich zwischen den Zeilen steht.

Und genau das ist der Punkt: Ob die Masse, die da mitzieht, wirklich durchschaut, worum es geht – das muss bezweifelt werden. Noch ist es eine Minderheit, doch wie ein Brandbeschleuniger wirken die sozialen Medien. Es ist Zeit für eine demokratische Gegenbewegung. Schweigen ist keine Option mehr.

Dieses Urteil ist so gesehen also ein Prüfstein – für den Rechtsstaat und für uns alle. Es fordert uns heraus, wach zu bleiben. Denn Demokratie verteidigt sich nicht allein mit Gesetzen – sie lebt davon, dass Bürger sie erkennen, verstehen und schützen. Leipzig hat entschieden. Jetzt sind wir gefragt: Entscheiden wir uns ebenfalls – für diese Demokratie? Oder schauen wir zu, wie sie genau dort bröckelt, wo sie heute noch stark ist? Brandenburgs Ministerpräsident Woidke bringt es auf den Punkt: AFD Verbot.. Unterstützen wir ihn und erheben wir die Stimme – pro Demokratie. Sie hat es sich verdient. Leipzig sei Dank.

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