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Wasserstoff – der elementare Baustein des Universums versus Kohle, Gas und Atom
- Updated: 10. Dezember 2024
(MH) Wasserstoff ist nicht nur das einfachste, sondern eines der prägendsten Elemente im gesamten Universum. Er prägt die Entstehung von Sternen, liefert den Brennstoff für ihr jahrmilliardenwährendes Leuchten und ist damit eng mit dem Werden und Vergehen kosmischer Strukturen verknüpft. Doch was bedeutet das für unser Leben auf der Erde? Und was lernen wir aus den Erkenntnissen, die bereits vor fast hundert Jahren von einer visionären Wissenschaftlerin gewonnen wurden?
Michael Huppertz auf den Spuren von Wasserstoff und dessen energiereiche Möglichkeiten.
Eine Schlüsselfigur in dieser Geschichte ist die britisch-amerikanische Astronomin Cecilia Payne (1900–1979). Im Jahr 1925 promovierte sie an der Harvard-Universität mit einer Dissertation, die das gängige Weltbild ihrer Zeit auf den Kopf stellte. Zuvor waren Forschende davon ausgegangen, Sterne seien chemisch betrachtet ähnlich aufgebaut wie unser Planet. Payne wies jedoch nach, dass Wasserstoff im Kosmos eine viel größere Rolle spielt, als jemals vermutet. Ihre Arbeit belegte, dass Sterne – darunter auch unsere Sonne – vorwiegend aus Wasserstoff bestehen. Damit veränderte sie nicht nur die Vorstellungen von der Zusammensetzung der Himmelskörper, sondern legte auch den Grundstein, um den Energiehaushalt der Sterne besser zu verstehen.
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Cecilia Payne-Gaposchkin
Energie aus Sternenfeuer – Die Bedeutung der Kernfusion
Es war diese Erkenntnis, die erklären half, warum Sterne so lange und so zuverlässig strahlen: Im Zentrum von Sternen herrschen Temperaturen und Drücke, bei denen Wasserstoffkerne miteinander verschmelzen. Bei diesem Fusionsprozess entsteht Helium – ein Vorgang, der nach Albert Einsteins Gleichung E = mc² einen winzigen Teil der Masse in enorme Energiemengen umwandelt. Diese Energie treibt den Stern an, gleicht seine Schwerkraft aus und ermöglicht ihm, über Jahrmilliarden zu leuchten. Ohne Paynes Nachweis der Wasserstoffdominanz wäre es schwieriger gewesen, den Zyklus des stellaren Lebens – von der Geburt in einer Gaswolke über den stabilen Hauptreihenstern bis hin zur Verwandlung in einen Roten Riesen oder Weißen Zwerg – wirklich zu begreifen.
Lehren für die Erde – Wasserstoff als Energieträger
Was aber hat das mit unserem Leben auf der Erde zu tun? Der Blick auf die Sterne zeigt uns, dass Wasserstoff ein fundamentaler Baustein für anhaltende Energieproduktion ist. Im Universum entsteht Energie durch Kernfusion, ein Prozess, den wir auf der Erde gerade erst technisch zu zähmen versuchen. Während in der Sonne die Fusion natürlich und dauerhaft abläuft, ist es für uns Menschen eine enorme Herausforderung, diesen Prozess in kontrollierten Reaktoren nachzuahmen. Experimente wie ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor) oder Anlagen wie der Wendelstein 7-X in Deutschland verfolgen das Ziel, die Fusion von Wasserstoffisotopen – Deuterium und Tritium – unter irdischen Bedingungen nutzbar zu machen. Gelingt dies, wäre ein Meilenstein für die künftige Energieversorgung erreicht: nahezu unbegrenzte, saubere Energie ohne CO₂-Ausstoß und mit vergleichsweise geringem radioaktiven Abfall. Aktuell sieht der Zeitstrahl Experimentierphasen bis in den Mai 2027 vor.
Fusion in weiter Ferne – Alternative Wege zum Wasserstoffzeitalter
Noch ist die Kernfusion nicht marktreif. Forschende gehen davon aus, dass es mindestens weitere Jahrzehnte intensiver Arbeit bedarf, um diese Technologie in ein kommerziell nutzbares Stadium zu bringen. Das Ziel ist klar: Gelingt es, die Fusion so zu kontrollieren, dass mehr Energie gewonnen als investiert wird, eröffnen sich völlig neue Perspektiven für unsere globale Energieversorgung. Bis dahin aber ist der Weg weit, und alternative Anwendungsmöglichkeiten des Wasserstoffs rücken in den Vordergrund.
Derzeit setzen wir auf der Erde vor allem auf die chemischen Eigenschaften des Wasserstoffs. Anstatt ihn zu fusionieren, spalten wir Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff, speichern den Wasserstoff und setzen ihn in Brennstoffzellen oder Turbinen wieder in Energie um. Dieses Verfahren ist zwar weniger energiereich als eine Kernfusion, aber es ist mit heutiger Technik bereits praktikabel. Im Idealfall wird der für die Elektrolyse benötigte Strom aus erneuerbaren Quellen wie Wind oder Sonne oder durch Verschwelung gewonnen. Das macht Wasserstoff zu einem wichtigen Baustein in einem umweltfreundlichen Energiesystem: Er lässt sich speichern, transportieren und nutzen, um Strom- und Wärmeversorgung auch dann aufrechtzuerhalten, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht.
Schattenseiten konventioneller Energieträger
Diese Perspektive gewinnt an Gewicht, wenn man die Schattenseiten konventioneller Energieerzeugung betrachtet. Gas- und Kohlekraftwerke, einst als Stützen unserer Industriegesellschaft betrachtet, verursachen massive externe Kosten. Neben hohen CO₂-Emissionen und der daraus folgenden Erderwärmung gehen von ihnen erhebliche volkswirtschaftliche Schäden aus: Die durch den Klimawandel verursachten Extremwetterereignisse, steigende Meeresspiegel, Ernteausfälle und gesundheitliche Belastungen treffen letztlich ganze Volkswirtschaften und belasten zukünftige Generationen. Die Abhängigkeit von fossilen Importen und die damit verbundene geopolitische Verwundbarkeit verschärfen das Problem zusätzlich.
Probleme der traditionellen Kernkraft
Auch die klassische Atomindustrie, lange als „Brückentechnologie“ gepriesen, weist inzwischen deutliche Nachteile auf. Zwar ist die Kernspaltung CO₂-arm, doch die Entsorgung hochradioaktiver Abfälle stellt eine Jahrhundertaufgabe dar. Die Langzeitlagerung ist bis heute nicht abschließend geklärt, und Unfälle wie in Tschernobyl oder Fukushima haben gezeigt, wie gravierend die Folgen eines Reaktorversagens sein können. Hinzu kommt, dass der Ausbau von Nuklearanlagen hohe Investitionskosten verschlingt und oft jahrelange Planungs- sowie Bauzeiten erfordert, was schnelle und flexible Anpassungen des Energiesystems erschwert.
Wasserstoff als Leitidee für eine lebensfreundliche Energiezukunft
Vor diesem Hintergrund erscheint die Nutzung von Wasserstoff als Energieträger in einem ganz neuen Licht. Im Vergleich zu fossilen Brennstoffen führt die Wasserstoffwirtschaft zu weitaus geringeren ökologischen Belastungen, während sie gleichzeitig die Flexibilität und Unabhängigkeit des Energiesystems erhöht. Was uns das Universum lehrt – seit Cecilia Paynes bahnbrechender Forschung –, ist, dass Wasserstoff im Zentrum der Energieprozesse steht, die das Leben ermöglichen. Sterne haben durch ihre Fusionsreaktionen letztlich die Bausteine für Planeten und Lebewesen hervorgebracht. Heute bauen wir auf diesem Wissen auf, um Wasserstoff in unseren Energiemix zu integrieren. Wir nutzen ihn zwar anders, nach unseren technischen Möglichkeiten, doch der Gedanke bleibt derselbe: Ein einfaches Element bietet die Grundlage für nachhaltige Energie – im All wie auf der Erde.
Ein zukunftsweisendes Prinzip
Die universelle Bedeutung des Wasserstoffs verleiht unseren Energiedebatten einen neuen Tiefgang. Unser Streben nach grüner Energie ist kein rein technisches Unterfangen, sondern auch ein Versuch, uns an Prinzipien zu orientieren, die im Kosmos seit Milliarden von Jahren funktionieren. Vor diesem Hintergrund erscheint der Abschied von Kohle, Gas und klassischer Atomkraft nicht nur als politisch und ökonomisch notwendig, sondern als konsequente Hinwendung zu einer Strategie, die im Einklang mit den tiefsten Erkenntnissen über den Aufbau und die Dynamik des Universums steht. So schließt sich ein Kreis: Von Cecilia Paynes Entdeckung, die uns das kosmische Gewicht des Wasserstoffs vor Augen führte, über die praktischen Ansätze der Wasserstoffwirtschaft bis hin zur Kritik an fossilen und konventionell-nuklearen Energieerzeugern spiegelt sich die Erkenntnis wider, dass Wasserstoff ganz selbstverständlich zum Leben gehört – einst in den Sternen, heute als Leitidee für eine verantwortungsvolle, lebensfreundliche Energiezukunft.
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