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Deutschlands Demokratie: Die bestgeschützte der Welt – dank einer Verfassung, die keiner Mehrheit gehört, sondern der Menschlichkeit

Foto: Quelle Bundesarchiv | Konrad Adenauer, Präsident des Parlamentarischen Rates, verkündet das Grundgesetz 23. Mai 1949

In Brandenburg spielen die sozialen Medien eine zunehmend zentrale Rolle – allerdings nicht im Sinne demokratischer Information. Öffentlich-rechtliche Sender werden systematisch diffamiert, Zeitungen als „Lügenpresse“ verschrien. Rückläufige Abo-Zahlen und Bezahlschranken interessieren jene nicht, die das demokratische System bekämpfen wollen – sie operieren längst in abgeschotteten Kommunikationsräumen. Umso wichtiger ist ein unabhängiger, faktenbasierter auch Lokaljournalismus, der nicht auf Reichweite, sondern auf Aufklärung zielt. Wer heute nicht informiert, überlässt den Empörungsmaschinen die Deutungshoheit.

Lange schien es, als fehle es in Brandenburg an politischer Entschlossenheit, dieser Entwicklung etwas entgegenzusetzen. Innenministerin Kathrin Lange Nachfolger, der parteilose Michael Wilke, hat das geändert. Und das mit Rückendeckung von Ministerpräsident Dietmar Woidke. Wilke hat die AfD auf dem einzigen Feld geschlagen, das in einer Demokratie zählt: dem der rechtsstaatlichen Transparenz. Kein Showdown, kein Phrasengewitter, sondern eine ruhige, schneidende Offenheit. Die AfD hatte gegen die Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichts geklagt – jenes Berichts, der ihre eigene Radikalisierung dokumentiert. Wilke bot an: Er werde den Bericht veröffentlichen, wenn die Partei ihre Klage zurückzieht. Seitdem: Funkstille. Der Versuch, Kritik mit rechtlichem Sperrfeuer zu verhindern, wurde zur Selbstentlarvung. Der politische Florettstich – fester als jede Polemik.

Währenddessen brennt es in der Stadt Burg lichterloh, demokratisch gesehen. Lehrer haben ihre Stellen verlassen, weil Schüler auf dem Schulhof den Hitlergruß zeigen, weil das Klima von Einschüchterung und Schweigen durchzogen ist. Nicht die Radikalen gehen, sondern die, die sich schützend vor die Verfassung stellen wollen. In Spremberg ruft die Bürgermeisterin um Hilfe, öffentlich, fast verzweifelt. Drohungen, Einschüchterungen, organisierte rechte Netzwerke – und nun ein Versprechen aus dem Innenministerium, man werde nun helfen. Jetzt. Aber warum erst jetzt? Das Problem ist nicht neu. Es war nur lange politisch bequemer, es nicht ernst zu nehmen.


Am 14. Juni 1992 gaben sich die Brandenburger Bürgerinnen und Bürger im letzten Schritt per Volksentscheid ihre eigene Verfassung. Damit hatte Brandenburg das Rennen um die schnellste Ausarbeitung einer Landesverfassung in den fünf neuen Bundesländern für sich entschieden. | Foto Dietmar Horn , Quelle: https://www.politische-bildung-brandenburg.de/themen/verfassung-ja-bitte


Seit 1992 besitzt Brandenburg eine moderne, handlungsfähige Verfassungsordnung – ein Rahmenwerk, das nicht nur die Einheit sicherte, sondern auch demokratische Standards für das 21. Jahrhundert setzt. Nicht nur Brandenburg, diese gesamte Republik steht an einer Schwelle. Und beide haben etwas, wofür sich zu kämpfen lohnt: das beste Grundgesetz der Welt. Nicht, weil es perfekt ist. Sondern weil es in einer Welt der Erosionen – wie in den USA aktuell zu beobachten ist – das ist, was anderen Ländern abhandenkommt: eine rechtsstaatliche Bastion mit klarem Fundament.

Warum diese Verfassung so besonders ist

Deutschland hat nicht nur eine der stabilsten Demokratien der Welt – es hat die robusteste, lernfähigste und rechtlich am besten abgesicherte. Das deutsche Grundgesetz ist nicht aus politischem Kalkül entstanden, sondern als Antwort auf das größte politische Versagen der Moderne: die Zerstörung der „Weimarer Demokratie“ durch ihre eigenen Gegner. Die Verfassung der Bundesrepublik ist deshalb nicht bloß ein Regelwerk – sie ist eine Architekturanleitung für den Erhalt der Freiheit.

Sie verankert die Menschenwürde, die Gewaltenteilung, die Gleichheit vor dem Gesetz, die Meinungsfreiheit und das Sozialstaatsprinzip als einklagbare Normen. Und sie ist dabei nicht statisch, sondern lernfähig. Sie erlaubt Entwicklung, aber keine Entkernung. Sie lässt Änderungen zu, aber kennt mit Artikel 79 Absatz 3 die sogenannte „Ewigkeitsgarantie“: bestimmte Grundprinzipien dürfen niemals abgeschafft werden.

Im internationalen Vergleich zeigt sich, wie einmalig dieser Ansatz ist:

  • In Neuseeland ist die Demokratie geübt, aber rechtlich lückenhaft. Ohne kodifizierte Verfassung fehlt die harte juristische Sicherung von Grundrechten.
  • In Dänemark lebt der Sozialstaat vom politischen Konsens – nicht vom Verfassungsauftrag. Eine Mehrheit kann ihn jederzeit umgestalten.
  • In der Schweiz wird direkte Demokratie zum Risiko, wenn Grundrechte per Volksentscheid ausgehöhlt werden dürfen.
  • In den USA zeigt sich, wie eine formal starke Verfassung durch politische Polarisierung und wirtschaftliche Konzentration ausgehöhlt werden kann.

Das deutsche Grundgesetz ist anders: Es ist nicht der Mehrheit allein verpflichtet, sondern dem Schutz der Freiheit aller. Es lässt sich nicht ohne weiteres instrumentalisieren. Seine Architektur kennt Schranken – gegen Machtmissbrauch, gegen Hetze, gegen Selbstabschaffung. Es ist der Versuch, die Demokratie dauerhaft gegen ihre Feinde zu immunisieren.

Die beste Verfassung der Welt – und warum wir endlich dafür kämpfen müssen

Wegsehen und Schweigen? Demokratie lebt vom Diskurs.

Und doch: All das funktioniert nur, wenn die demokratische Kultur lebt. Wenn Menschen hinsehen. Wenn sie handeln. Wenn sie sprechen. Und wenn sie über das reden, was zählt.

Dafür braucht es auch den lokalen Journalismus. Denn Demokratie stirbt nicht im Bundestag – sie stirbt in Schulen wie in Burg, in Gemeinderäten wie in Spremberg, in Orten, an denen immer weniger berichtet wird. Lokale Medien sind nicht Beiwerk, sondern frühwarnende Instanz. Sie schaffen Öffentlichkeit, wo sonst nur Gerüchte kursieren. Wer will, dass Demokratie verteidigt wird, muss zuerst dafür sorgen, dass sie überhaupt gesehen wird.

Das deutsche Grundgesetz ist nicht irgendein Vertragstext. Es ist ein System aus Sicherungen, Kontrollmechanismen und menschenrechtlichen Verpflichtungen, das aus der historischen Katastrophe gelernt hat. In Artikel 1 beginnt es mit dem schärfsten Satz, den je eine Verfassung gesetzt hat: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Andere Demokratien wurden anders gestaltet:

  • In Neuseeland gibt es überhaupt keine kodifizierte Verfassung. Es gilt ein Flickenteppich aus Gewohnheitsrecht und parlamentarischen Statuten. Die Menschenrechte gelten, solange die Mehrheiten sie nicht aushebeln.
  • In Dänemark garantiert die Verfassung kein subjektives Recht auf soziale Sicherheit. Die dänische Wohlfahrtsgesellschaft lebt vom politischen Konsens, nicht vom Rechtsanspruch. Ein Regierungswechsel kann den Sozialstaat kippen. Verfassungsrechtlich wäre das möglich.
  • Die Schweiz zelebriert direkte Demokratie. Klingt edel, ist aber brandgefährlich. Dort können Volksabstimmungen Grundrechte kippen. So geschehen beim Minarettverbot 2009 oder der Ausschaffungsinitiative. Ein Verfassungsgericht, das solche Entscheidungen kontrolliert, gibt es nicht. Demokratie wird dort zur Wette auf Vernunft.
  • In den USA erleben wir gerade das, was passiert, wenn eine Verfassung zur Kulisse wird. Die Supreme-Court-Urteile der vergangenen Monate, die Aushöhlung von Wahlrechten, der faktische Einfluss von Geld auf die Medienlandschaft: Die USA sind auf dem besten Weg, ihre Freiheiten gegen Sendeerlaubnisse zu tauschen. Spätestens mit der angekündigten Einstellung der Late-Night-Show im kommenden Jahr – offenbar, um regulatorischen Konflikten mit der Trump-Regierung aus dem Weg zu gehen – wird deutlich: Das ist keine medienpolitische Spielerei mehr. Es ist Gleichschaltung durch wirtschaftlichen Opportunismus – die Kapitulation des Journalismus vor der Drohung mit Lizenzverlust.

Deutschland dagegen: Verfassungsgericht, soziale Mindeststandards, Ewigkeitsgarantien, Parteienverbote gegen Demokratiefeinde, Beamtenrecht mit Treue zur freiheitlichen Ordnung. Es ist nicht nur Papier. Es ist ein architektonisches Bollwerk gegen die Wiederholung der Geschichte.

Warum Verfassungsfeinde die gleichen drei Ziele haben

Wer ein demokratisches System nicht reformieren, sondern abschaffen will, braucht Kontrolle über die Instanzen, die Kontrolle über ihn ausüben. Es geht dabei nie zuerst um Inhalte, sondern um Strukturen. Wer die Demokratie beenden will, muss zuerst ihre Wächter ausschalten – die Orte, an denen abweichende Meinungen, rechtliche Begrenzungen und zivilgesellschaftlicher Widerstand organisiert sind. Deshalb folgen autoritäre Bewegungen fast immer dem gleichen Muster:

  1. Die Justiz: Sie ist das letzte Bollwerk gegen willkürliche Macht. Deshalb soll sie entmachtet, eingeschüchtert oder mit linientreuen Juristen übernommen werden. In Polen und Ungarn wurden Richter pensioniert, Verfassungsgerichte umgebaut. Auch in Deutschland wird der Rechtsstaat von Rechtsaußen als „links unterwandert“ diffamiert. Das Ziel: Wer Recht sprechen kann, soll nicht mehr das Recht hüten, sondern den Machtanspruch der Partei absichern.
  2. Die Medien: Eine freie Presse ist ein Gegenspieler zur Macht. Wer kritisiert, wer fragt, wer recherchiert, stört die autoritäre Dramaturgie. Deshalb werden Journalist:innen gezielt diskreditiert („Lügenpresse“, „Systemmedien“), öffentlich-rechtliche Sender zur Abschaffung vorgeschlagen oder mit Lizenzentzug bedroht (siehe USA). Das Ziel ist nicht nur Einschüchterung – es geht um Kontrolle über das Bild, das von der Realität gezeichnet wird. Ohne Gegenstimme wird Propaganda zur Wahrheit.
  3. Die Zivilgesellschaft: NGOs, Bildungsinitiativen, Demokratieförderprogramme sind der Seismograph jeder Gesellschaft. Sie benennen Missstände, bevor Parlamente reagieren. Sie schaffen Beteiligung, wo Parteien versagen. Deshalb sollen sie finanziell ausgetrocknet („Kürzung der Projektmittel“), juristisch drangsaliert („Ausländische Agenten“, wie in Russland) oder öffentlich verächtlich gemacht werden („NGO-Staat“). Wer sie schwächt, tötet das Immunsystem der Demokratie.

Das erklärt auch, warum autoritäre Parteien wie die AfD mit solcher Akribie gegen alle drei Institutionen arbeiten. Sie wissen: Eine Regierung kann man abwählen. Aber eine Gesellschaft, in der Gerichte, Medien und Zivilgesellschaft intakt sind, lässt sich nicht so leicht gleichschalten.

Die Strategie ist klar: Nicht die Demokratie soll sich behaupten, sondern der autoritäre Zugriff soll unwidersprochen möglich werden. Und dazu müssen alle möglichen Widersprecher vorab zum Schweigen gebracht werden.

Diffamieren. Diskreditieren. Verächtlich machen. Verunsichern.

Wer demokratische Systeme stürzen will, geht nie direkt auf die Regierung los. Zuerst müssen die Wächter des Systems neutralisiert werden:

  1. Die Justiz – sie soll entmachtet oder durch Parteisoldaten ersetzt werden.
  2. Die Medien – sie sollen diskreditiert oder gleichgeschaltet werden.
  3. Die Zivilgesellschaft – sie soll finanziell ausgetrocknet oder juristisch kriminalisiert werden.

Diese Taktik beobachtet man in vielen Ländern – und in der Programmatik der AfD. „Systemmedien“, „Volksverräter“, „NGO-oder Deep-Staat“ – das ist kein Sprachbild. Das ist eine Kampfansage an die Demokratie. Wer so spricht, benutzt Worte nicht mehr zur Beschreibung, sondern zur Manipulation. Es ist genau jene strategische Umformung der Sprache, die Viktor Klemperer in seinem Werk LTI – Lingua Tertii Imperii analysierte: Worte werden zu Waffen, Begriffe zu Brandbeschleunigern. Und auch heute gilt: Wer das Denken verändern will, beginnt mit dem Reden.

Warum die Mehrheit schweigt

Weil sie müde ist. Weil sie im Alltag steckt. Weil sie glaubt, das regeln schon andere. Weil sie sich nicht sicher ist, ob sie den richtigen Ton trifft. Weil sie nicht online beschimpft werden will. Die Schweigespirale funktioniert, weil die Lauten sie füttern und die Leisen hoffen, sie hört von selbst auf.

Dabei ist klar: Die AfD ist nicht stark. Sie ist diszipliniert, vernetzt, laut. Ihre Reichweite ist ein Echo. Sie hat die Medienmechanik verstanden. Sie braucht keinen Inhalt, nur Wut. Sie braucht keine Mehrheit, nur Sendezeit.

Was braucht es zur Aktivierung der Mehrheit?

Laut sein heißt nicht schreien – wer die Demokratie verteidigt, muss klar sein, nicht krawallig. Die AfD lebt von der Inszenierung der Störung. Wer sie entlarven will, muss klüger sein als der Lärm.

Die schweigende Mehrheit ist kein Phantom. Sie existiert – im Klassenzimmer, am Küchentisch, in den Werkhallen. Doch sie ist still, nicht weil ihr alles egal ist, sondern weil sie strukturell benachteiligt ist im Kampf um Aufmerksamkeit. Um sie zu aktivieren, braucht es mehr als Appelle. Es braucht konkrete Rahmenbedingungen, Vertrauen und Mutstärkung:

  • Niedrigschwellige Beteiligung: Demokratie muss erfahrbar werden. Keine langatmigen Bürgerräte, sondern greifbare Formate: offene Diskussionsabende, schnelle Bürgerforen, digitale Plattformen, die wirklich gelesen werden.
  • Verständliche Sprache: Wer Menschen erreichen will, darf sie nicht mit Fachbegriffen überrollen. Politische Kommunikation muss entstaubt werden – weg vom Beamtendeutsch, hin zur Alltagssprache. Wer von „Transformationspfaden“ spricht, verliert die, die auf dem Bürgersteig stehen.
  • Schutz und Rückhalt: Wer den Mund aufmacht, muss sich sicher fühlen. Lehrkräfte, Lokalpolitiker, ehrenamtlich Engagierte brauchen klare Zusagen: juristisch, finanziell, öffentlich. Es darf nicht länger attraktiver sein, sich rauszuhalten, als sich einzumischen.
  • Zivilgesellschaft stärken: Statt NGOs zu verdächtigen, braucht es eine stabile, staatlich gesicherte Finanzierung für Demokratieförderung – gerade in strukturschwachen Regionen. Das Ehrenamt darf nicht allein gelassen werden.
  • Politik mit Gesicht zeigen: Bürgernähe ist keine PR-Maßnahme, sondern Grundbedingung der Demokratie. Wer die Schweigenden aktivieren will, muss sichtbar und ansprechbar sein – nicht nur in Krisen.

Erst wenn sich Menschen wieder als Subjekte erleben – nicht als stille Zuschauer – entsteht jene demokratische Selbstwirksamkeit, die Populisten das Wasser abgräbt.

Die Rolle des Journalismus – und warum er sich verändern muss

In dieser Auseinandersetzung kommt dem Journalismus eine Schlüsselrolle zu. Und das gilt insbesondere für den Lokaljournalismus. Denn Demokratie wird nicht in den Hauptnachrichten verteidigt, sondern im Gemeinderat, in der Schule, im Vereinsheim. Dort, wo Menschen sich begegnen – oder schweigen, wenn niemand mehr berichtet. Lokale Medien sind nicht nur Beobachter, sie sind Frühwarnsystem, Dokumentationsinstanz und demokratisches Gedächtnis. Umso gefährlicher ist es, wenn Lokalredaktionen ausgedünnt, geschlossen oder wirtschaftlich stranguliert werden. Wo keine kritische Öffentlichkeit mehr besteht, wächst das Gerücht – und damit die Manipulation.

Deshalb braucht es dringend eine strukturelle und gesicherte Finanzierung des Lokaljournalismus. Nicht als Almosen, sondern als demokratische Infrastruktur. Wer in Autobahnen investiert, muss auch in Aufklärung investieren. Denn eine Gesellschaft, die ihre Informationskanäle im ländlichen Raum versiegen lässt, lässt auch ihre demokratischen Fundamente erodieren.

Doch auch hier gilt: Die Spielregeln haben sich verändert. Journalistinnen und Journalisten müssen sich darauf einstellen, dass Höflichkeit und Taktgefühl von extremistischen Akteuren gezielt ausgenutzt werden. Die AfD tritt nicht uninformiert oder planlos auf – sie agiert rhetorisch geschult, strategisch kalkulierend und psychologisch beraten. Ihr Ziel ist nicht Aufklärung, sondern Kontrolle über das Narrativ.

Deshalb braucht es im Journalismus:

  • bessere Gesprächsvorbereitung: Wer Vertreter extremistischer Positionen interviewt, muss deren ideologische Denkmuster, vorbereitete Parolen und die dahinterstehenden Strategien kennen. Diese stammen oft aus gut vernetzten Think-Tanks, werden sprachlich geschärft und in Dauerschleifen eingeübt. Sie zielen nicht auf Debatte, sondern auf Diskursverschiebung. Wer das nicht erkennt, läuft Gefahr, zur Bühne für diese Inszenierung zu werden. Von daher gilt : semantische Fallen durchschauen und Tabubrüche nicht reproduzieren sondern einordnen.
  • Live-Faktenchecks: Unwidersprochene Falschbehauptungen entfalten Wirkung – auch dann, wenn sie später korrigiert werden. Der journalistische Reflex zur Ausgewogenheit darf nicht zur Bühne für Lügen werden. Bei Live-Interviews sollte deshalb ein begleitendes Redaktionsteam bereitstehen, das Fakten in Echtzeit prüft und im Bedarfsfall in die laufende Sendung einspeist – und genau das sollte auch zu Beginn des Gesprächs angekündigt werden. Transparenz schützt vor Manipulation.
  • psychologisches Grundverständnis: Auch Aktivistinnen und Aktivisten, die mit Protestaktionen reagieren, müssen sich klarmachen, dass Provokation einkalkuliert ist. Die AfD spekuliert auf Eskalation, um sich als Opfer zu inszenieren. Wer ihr begegnet, muss klüger handeln, nicht lauter.

Wer diesen Gegner unterschätzt, wird ihn nicht stoppen. Wer ihn nur moralisch verurteilt, aber nicht analytisch entlarvt, hilft ihm. Was es jetzt braucht, ist journalistische Präzision – und die Bereitschaft, dem Populismus nicht nur einen Kommentar entgegenzusetzen, sondern eine Strategie.

Demokratie bewahren heißt handeln – aber wie?

  • Politische Sprache „entrüpeln„: Wer nur von Transformationspfaden spricht, spricht an Lieschen Müller und Max Mustermann vorbei. Sie verstehen erst dann, worum es geht, wenn klar wird, was das konkret für ihr Leben, ihren Arbeitsplatz, ihre Miete bedeutet. Politische Kommunikation muss greifbar, nachvollziehbar und lebensnah sein – sonst überlässt sie das Feld denen, die mit einfachen Parolen einfache Ängste bedienen.
  • Politiker müssen raus aus den Talkshows – und dahin, wo Menschen wirklich erreicht werden. Nicht jede Begegnung findet im Rathaus statt, und viele Bürgerinnen und Bürger hören längst nicht mehr zu, wenn das Mikrofon angeht. Was es braucht, ist politische Präsenz auf Marktplätzen, in Sportvereinen, bei Elternabenden. Nicht mit Parteiphrasen, sondern mit echtem Interesse, vor allem lokal. Wer Vertrauen zurückgewinnen will, muss neue Formate finden – und aufhören, nur aus der Parteizentrale zu zitieren.
  • Zivilgesellschaft ist kein Störfaktor, den man aus dem Weg räumen muss – sie ist das Rückgrat einer lebendigen Demokratie. Sie braucht Schutz, keine Zähmung. Wer sie neutralisieren will, meint in Wahrheit: zum Schweigen bringen, entmachten, unter Kontrolle halten. Doch eine Gesellschaft, in der Kritik verstummt und Engagement misstrauisch beäugt wird, ist keine wehrhafte Demokratie – sondern eine, die ihre eigene Substanz aufgibt.
  • Lehrer, Bürgermeisterinnen, Journalisten brauchen juristischen und finanziellen Rückenhalt.
  • Das Grundgesetz muss wieder populär werden – nicht durch Verklärung, sondern durch Verständnis: als täglicher Kompass für Freiheit, Gleichheit und Menschenwürde. Es reicht nicht, es zu feiern – man muss es erklären, anwenden und verteidigen.

Wer glaubt, die Demokratie sei in Deutschland sicher, weiß wenig über ihre Feinde. Wer glaubt, ein bisschen Populismus werde schon nicht schaden, kennt nicht den Sog der Systeme. Und wer meint, das alles sei übertrieben, hat sich schon längst arrangiert und sich selber aufgegeben.

Die AfD lebt von der Trägheit der Demokraten. Von ihrem „Nicht so schlimm“. Von ihrem „Das wird schon“. Von ihrer Klugheit, die nicht laut werden will.

Doch es ist Zeit, laut zu werden. Nicht schrill. Aber klar. Sachlich. Hart. Und überzeugend.

Denn wir haben etwas zu verteidigen, das andere Länder nicht ihr eigen nennen können: eine Verfassung, die nicht der Mehrheit gehört, sondern der Menschlichkeit, damit auch kommende Generationen noch freie Medien, unabhängige Gerichte und zivilgesellschaftliche Räume als selbstverständlich erleben – und als ihre eigenen benennen können.

Und dafür lohnt es sich nicht mehr zu schweigen, für die beste und stärkste Demokratie der Welt.

Redaktion Michael Huppertz, meinbrandenburg.tv

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